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Auto News: 22. November 2000


 


Sensotronic Brake Control - die Bremse der Zukunft

Photo: DaimlerChrysler

  • Elektrohydraulische Hochdruckbremse für künftige Mercedes-Modelle

  • Zusatzfunktionen wie Stau- und Anfahr-Assistent für mehr Komfort

  • Mercedes-Benz einmal mehr als Pionier der Bremsentechnik

Stuttgart - Sensotronic Brake Control (SBC) lautet die Bezeichnung einer neuartigen, elektronisch gesteuerten Bremsanlage, die Mercedes-Benz in künftigen Pkw-Modellen einsetzen wird. Nach den Mercedes-Innovationen ABS, ASR, ESP® und Brems-Assistent BAS gilt dieses System als ein weiterer wichtiger Meilenstein zur Verbesserung der Fahrsicherheit. Bei der Sensotronic Brake Control werden die Bremsbefehle des Autofahrers über elektrische Impulse an einen Mikro-computer übertragen, der zugleich verschiedene Sensorsignale verarbeitet und je nach Fahrsituation für jedes Rad den optimalen Bremsdruck berechnet. Ergebnis: Beim Bremsen in einer Kurve oder auf glatter Fahrbahn bietet SBC noch mehr aktive Sicherheit als bisherige Bremsanlagen, denn dank eines Hochdruckspeichers und elektronisch regelbarer Ventile steht der maximale Bremsdruck schneller zur Verfügung. Überdies bietet das System neuartige Zusatzfunktionen zur Entlastung des Autofahrers; dazu gehört unter anderem der Stau-Assistent, der den Wagen im Stop-and-go-Verkehr automatisch bremst, wenn der Autofahrer den Fuß vom Gaspedal nimmt. Im Stadtverkehr ermöglicht die ebenfalls neuartige "Soft-Stop"-Funktion ein besonders sanftes und ruckfreies Anhalten.

Mechatronik - ein neuer Begriff macht in der Automobilbranche die Runde und entwickelt sich zum Kennwort einer stillen technologischen Revolution, die in vielen Disziplinen jahrhundertealte Grundprinzipien auf den Kopf stellt. Denn die Mechatronik bringt zusammen, was bisher in vielen Fällen als unvereinbar galt: Mechanik und Elektronik.

Im Klartext: Automobilfunktionen, die bisher rein mechanisch und teilweise mit hydraulischer Unterstützung arbeiteten, kommen künftig unter die Regie leistungsfähiger Mikrocomputer und elektronisch steuerbarer Aktuatoren. Sie ersetzen die konventionellen mechanischen Bauteile oder ergänzen sie in ihrer Funk-tion. So eröffnet das mechatronische Zusammenspiel bislang ungeahnte Möglichkeiten zur weiteren Steigerung von Sicherheit und Komfort moderner Personenwagen. Beispiel: Ein aktiv geregeltes Fahrwerk, das sich beim Anfahren, beim Bremsen oder in Kurven blitzschnell der jeweiligen Situation anpasst und somit für ein völlig neues Fahr-Erlebnis sorgt, wurde erst dank Mechatronik Realität -- Mercedes-Benz präsentierte dieses System 1999 als Active Body Control (ABC) erstmals im Top-Coupé CL und läutete damit eine neue Ära der Fahrwerkstechnik ein.

Schon bald folgt dieser elektronisch gesteuerten Federung die elektronisch gesteuerte Bremsanlage: Mercedes-Benz und Bosch arbeiten gemeinsam an diesem wegweisenden Entwicklungsprojekt, das bei der Stuttgarter Automobilmarke unter der Bezeichnung Sensotronic Brake Control -- kurz SBC -- bald in Serie gehen wird.

Es verwandelt die herkömmliche hydraulische Bremse in ein noch leistungsfähigeres Mechatroniksystem, dessen Mikrocomputer in das Daten-Netzwerk des Autos integriert ist und die Informationen verschiedener elektronischer Steuergeräte verarbeitet. Elektrische Impulse und Sensorsignale lassen sich auf diese Weise blitzschnell in Bremsbefehle umwandeln -- mit deutlichem Sicherheits- und Komfortgewinn für die Autofahrer.

Bremspedal: Elektronik statt Unterdruck

Zur Technik: Tritt der Autofahrer heutzutage auf die Bremse, so bewegt er mit seinem Fuß eine Kolbenstange, die mit dem Bremskraftverstärker und dem Hauptbremszylinder verbunden ist. Je nach Pedalkraft baut der Hauptbremszylinder Druck in den Bremsleitungen auf, der schließlich via Radzylinder die Brems-beläge gegen die Bremsscheiben presst -- ein bewährtes Zusammenspiel von Mechanik und Hydraulik.

Bei der Sensotronic Brake Control von Mercedes-Benz dagegen ersetzt die Elektronik viele mechanischen Bauteile. Auch der Bremskraftverstärker ist zukünftig nicht mehr erforderlich. Stattdessen erfassen Sensoren den Druck im Hauptbremszylinder sowie die Geschwindigkeit, mit der das Bremspedal betätigt wird, und leiten diese Daten als elektrische Impulse an den SBC-Computer weiter.

Um dem Autofahrer dennoch das gewohnte Bremsgefühl zu vermitteln, entwickelten die Ingenieure einen speziellen Simulator, der mit dem Tandem-Bremszylinder gekoppelt ist und das Pedal per Federkraft und Hydraulik führt. Mit anderen Worten: Die Betätigungseinheit wird beim Bremsen vom übrigen System vollständig abgekoppelt und dient lediglich zur Erfassung des jeweiligen Bremswunsches. Nur bei einer gravierenden Störung oder bei Stromausfall im Zwölf-Volt-Bordnetz greift SBC automatisch auf die Dienste des Tandem-Bremszylinders zurück und stellt blitzschnell eine direkte hydraulische Verbindung zwischen dem Bremspedal und den Vorderradbremsen her, die das Auto sicher verzögern.

Steuereinheit: Druckmodulatoren für jedes Rad

Das Kernstück der elektrohydraulischen Bremse ist die zentrale Steuereinheit unter der Motorhaube. Hier zeigt das interdisziplinäre Zusammenspiel von Mechanik und Elektronik seine größten Vorteile -- Mikrocomputer, Software, Sensoren, Ventile und Elektropumpe arbeiten zusammen und ermöglichen ein völlig neuartiges, hochdynamisches Bremsen-Management:

Im SBC-Computer treffen neben den Daten über die Betätigung des Bremspedals auch die Sensorsignale anderer elektronischer Assistenz-Systeme zusammen. So liefert das Antiblockier-Bremssystem (ABS) zum Beispiel Informationen über die Drehzahlen der Räder, ESP® stellt die Daten seiner Lenkwinkel-, Drehraten- und Querbeschleunigungssensoren zur Verfügung und die Getriebesteuerung gibt via Datenautobahn die jeweilige Fahrstufe durch. Das Ergebnis dieser hoch komplizierten Berechnungen sind blitzschnelle Bremsbefehle, die in der jeweiligen Fahrsituation ein Höchstmaß an Verzögerung und Fahrstabilität garantieren. Der Clou: SBC berechnet die Bremskraft für jedes Rad individuell.

Der Hochdruckspeicher enthält die Bremsflüssigkeit, die mit einem Druck von 140 bis 160 bar in das System strömt. Der SBC-Computer regelt diesen Druck und steuert auch die an den Speicher angeschlossene Elektropumpe. Das garantiert deutlich kürzere Ansprechzeiten als bei herkömmlichen Bremsanlagen. Ein weiterer Vorteil: Selbst bei ausgeschaltetem Motor steht die volle Bremswirkung zur Verfügung.  Die Hydraulikeinheit besteht im Wesentlichen aus vier so genannten Raddruck-Modulatoren. Sie dosieren den Bremsdruck bedarfsgerecht und leiten ihn an die Bremsen weiter. So lassen sich die Vorgaben des Mikrocomputers realisieren und jedes Rad wird im Interesse der Fahrstabilität und der größtmöglichen Verzögerung individuell abgebremst. Drucksensoren in den Raddruck-Modulatoren überwachen die Vorgänge.

Notbremsung: Bis zu drei Prozent kürzerer Anhalteweg

Zu den wichtigsten Leistungsmerkmalen der Sensotronic Brake Control zählen die extrem hohe Dynamik beim Druckaufbau sowie die genaue Beobachtung des Fahrer- und Fahrzeugverhaltens mittels aufwendiger Sensorik. So stößt Mercedes-Benz in neue Dimensionen der Fahrsicherheit vor. Beispiel Notbremsung: Bereits den schnellen Wechsel des Fahrers vom Gas- aufs Bremspedal erkennt SBC als Indiz für eine unmittelbar bevorstehende Notbremsung und reagiert automatisch: Mit Hilfe des Hochdruckspeichers erhöht die Anlage den Druck in den Bremsleitungen und legt blitzschnell die Beläge an die Bremsscheiben an, die dann beim Tritt aufs Bremspedal sofort mit voller Kraft zupacken können. Fazit: Bei einer Notbremsung aus Tempo 120 verkürzt sich der Anhalteweg eines mit SBC ausgestatteten Sportwagens durch das so genannte Vorfüllen der Bremsanlage um rund drei Prozent gegenüber einem Auto mit herkömmlicher Bremsentechnik.

Auch der Brems-Assistent leistet mit elektrohydraulischer Unterstützung noch mehr als bisher. Gibt dieses System den Befehl für eine automatische Notbremsung, sorgen der schnelle Druckaufbau und das automatische Vorfüllen der Radbremsen für einen kürzeren Bremsweg.

Fahrstabilität: Fein dosierte Brems-Impulse für perfekten ESP®-Einsatz

Die Sensotronic Brake Control bewährt sich aber nicht nur bei Vollbremsungen, sondern auch in anderen kritischen Situationen -- zum Beispiel bei Schleudergefahr. Hier arbeitet das System mit dem Electronic Stability Program (ESP®) zusammen, das den Wagen mittels gezielter Bremsimpulse an allen Rädern und/ oder durch Verringerung des Motordrehmoments sicher in der Spur hält. SBC bietet auch hier den Vorteil höherer Dynamik und Präzision: Durch die noch schnelleren und noch feiner dosierten Brems-Impulse aus dem SBC-Hochdruckspeicher kann ESP® ein ausbrechendes Fahrzeug frühzeitig und zugleich komfortabel stabilisieren. Das beweisen zum Beispiel die Ergebnisse beim VDA-Spurwechseltest, mit dem die Fahrwerksingenieure ein schnelles Ausweichmanöver simulieren, und der die hohe Leistungsfähigkeit des elektronischen Stabilitätsprogrammsdokumentiert. Im Zusammenspiel mit SBC arbeitet ESP® noch besser und reduziert deutlich das Ausbrechen des Wagens durch schnelle, präzise Bremsimpulse. Gleichzeitig verringert sich dadurch der Lenkaufwand des Fahrers, der dank SBC- und ESP®-Unterstützung noch weniger Mühe hat, sein Auto auf Kurs zu halten.

Kurvenbremsen: Mehr Sicherheit durch variable Bremskraftverteilung

Auch beim Bremsen in der Kurve bietet SBC mehr Sicherheit als eine herkömmliche Bremsanlage. Hier erweist sich die variable und gezielte Bremskraftverteilung als besonders vorteilhaft, um das Eigenlenkverhalten des Wagens aktiv zu beeinflussen.

Während konventionelle Bremsanlagen den Bremsdruck an den kurveninneren und kurvenäußeren Rädern stets im gleichen Verhältnis dosieren, bietet SBC die Möglichkeit einer situationsgerechten Zuteilung der Bremskräfte. So steigert das System automatisch den Bremsdruck an den kurvenäußeren Rädern, weil sie durch die höheren Radaufstandskräfte auch mehr Bremskräfte übertragen können. Gleichzeitig werden die Bremskräfte an den kurveninneren Rädern zugunsten der für die Spurhaltung wichtigen Seitenführungskräfte reduziert. Das Ergebnis ist ein stabileres Bremsverhalten mit optimalen Verzögerungswerten.

Dem bewährten Prinzip der unterschiedlichen Bremskraftregelung an Vorder- und Hinterachse bleiben die Mercedes-Ingenieure auch beim Einsatz der innovativen Sensotronic Brake Control treu und programmieren das System so, dass beim Bremsen aus hoher Geschwindigkeit an der Vorderachse stets der größere Teil der Bremskraft wirkt. So wird ein gefährliches Überbremsen der Hinterachse vermieden. Allerdings ermöglicht SBC auch hier eine situationsgerechte Anpassung. So erhöht das System bei niedriger Geschwindigkeit oder im Teilbremsbereich automatisch den Bremskraftanteil an der Hinterachse, um das Ansprechverhalten der Bremsanlage zu verbessern und einen gleichmäßigen Verschleiß der Bremsbeläge zu erreichen.

Komfort: Keine Pedal-Vibrationen bei ABS-Regelung

Die Abkopplung des SBC-Pedals von der übrigen Bremsanlage und die proportionale Druckregelung mittels Mechatronik steigert den Komfort beim Bremsen -- vor allem bei großer Verzögerung oder bei Einsatz des Antiblockier-Bremssystems. Das übliche Vibrieren des Bremspedals bei ABS-Regelvorgängen tritt nicht auf, was nach Erkenntnissen der Mercedes-Ingenieure mehr als nur ein Komfortmerkmal des neuen Systems ist, sondern auch messbare Sicherheitsvorteile bietet. Ihre Untersuchungen im Berliner Fahrsimulator von DaimlerChrysler zeigen nämlich, dass fast zwei Drittel aller Autofahrerinnen und Autofahrer schreckhaft reagieren, wenn die ABS-Pulsation einsetzt: Sie erhöhen den Bremsdruck nicht weiter oder nehmen sogar kurzzeitig den Fuß vom Bremspedal. Dadurch verlängern sie den Bremsweg ihres Wagens -- im Fahrsimulator waren es durchschnittlich 2,10 Meter bei einer ABS-Bremsung aus 60 km/h auf schneebedeckter Fahrbahn.

SBC-Zusatzfunktionen: Assistenten zur Entlastung des Autofahrers

Weitere Vorteile bietet Sensotronic Brake Control in alltäglichen Fahrsituationen -- beim Abbremsen vor einer Ampel, bei Nässe, im Stau oder beim Anfahren am Berg:

Zur Sensotronic Brake Control gehört auch ein so genannter Stau-Assistent, der im Stand mittels Tempomathebels aktiviert wird. Sein Vorteil: Bei Stop-and-go-Verkehr muss der Fahrer nur noch das Gaspedal bedienen; nimmt er den Fuß vom Gaspedal, bremst SBC den Wagen mit konstanter Verzögerung bis zum Stillstand ab. Der Stau-Assistent bleibt auf Wunsch bis Tempo 60 in Aktion, bei höherer Geschwindigkeit schaltet er sich automatisch wieder aus.

Zukunft: SBC als Wegbereiter für automatische Führungssysteme

Mit dem Einzug der Elektronik in die Bremsentechnik eröffnen sich den Mercedes-Ingenieuren nicht nur in den Disziplinen Sicherheit und Komfort neue, vielversprechende Möglichkeiten. Auch ihrem Traumziel, die Automobile von übermorgen mit Hilfe von Videokameras, Abstandsradar und moderner Telematik vollautomatisch über die Straßen zu lenken, sind sie durch SBC ein großes Stück näher gekommen. Denn für diese autonome Fahrzeugführung brauchen die Fachleute eine computergesteuerte Bremse, die auch auf Befehl eines elektronischen Autopiloten automatisch zupackt und das Auto sicher zum Stehen bringt.

(15. November 2000 )

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